Drei Millionen für innovative Medien in Wien
In Deutschland bewegt sich nicht viel in Sachen Presseförderung. Bei der Veranstaltung „Aufgeschoben oder aufgehoben? Wie weiter mit der Presseförderung“ in Berlin wurde ein spannendes Projekt der Stadt Wien vorgestellt. Eingeladen hatten das Kölner Institut für Medien und Kommunikationspolitik, der Deutsche Journalisten-Verband Berlin und das Wiener forum journalismus und medien.
Eine Förderung von Journalismus durch staatliche Stellen ist bekanntlich immer heikel. Wie der Spagat zwischen Förderung und Pressefreiheit gelingen kann, zeigt der Ansatz aus Wien: Im Rahmen der Wiener Medieninitiative fördert die Stadt seit 2020 Konzepte zur Entwicklung neuer journalistischer Formate und neuer Medienangebote.
Über die Vergabe entscheidet eine wechselnde, unabhängige, international besetzte Expert:innenjury. Förderkriterien sind unter anderem journalistische Qualität, Innovationsgrad und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Kolleg:innen aus Deutschland können sich zusammen mit österreichischen Antragsteller:innen bewerben, wenn das Projekt an einem Wiener Standort umgesetzt wird. Mit Evelyn Hemmer von der zuständigen Wirtschaftsagentur Wien sprach Johannes Klostermeier. Hemmer ist mittlerweile nicht mehr für die Wirtschaftsagentur tätig.
Wie haben Sie das hingekriegt?
Es gab immer schon Stimmen, die eine Innovations- und Gründungsförderung für journalistische Projekt und Medienhäuser gefordert haben. Im Zuge der Neuorientierung der Stadtkommunikation wurden sie dann erhört. In Wien gab es bereits die Wirtschaftsagentur Wien als Institution, die schon lange Forschungs- und Technologieförderung betrieben hat. Wir konnten deswegen sehr schnell einen Kriterienkatalog entwickeln, der sich auch für den Journalismus geeignet hat. Wir haben dann mit Expert:innen zusammen gearbeitet und uns an der Wirtschaft- und Innovationsförderung orientiert.
Gab es auch kritische Stimmen?
Grundsätzlich wurde es begrüßt, wir wurden aber auch stark beobachtet, ob es denn auch vereinbar ist. Ob die Politik Einfluss nimmt, ob die Kriterien wirklich transparent und nachvollziehbar sind. Wir haben bisher sehr positive Rückmeldungen, da wir den gesamten Prozess sehr transparent gestaltet haben. Es gibt ein kleines Team, das sehr ansprechbar ist, das ist nicht wie bei einem Amt. Wir erklären allen den Prozess und beraten auch, nicht inhaltlich journalistisch, sondern formal-strukturell, wie etwa Projektpläne funktionieren und auf was man achten muss.
Alle Kriterien stehen auf unserer Website. Wir haben eine externe Jury, aus sieben internationalen Jury-Mitgliedern aus unterschiedlichen Bereichen der Medienbranche. Die Jury ist frei von Einflussnahme, die Experten und Expertinnen stehen nicht in Konkurrenz mit den Journalisten. Und wenn es nicht klappt, geben wir ein ausführliches Feedback, woran es gelegen hat.
Wie ist die Quote zwischen Antragstellern und angenommenen Projekten?
Wir haben zwei Förderschienen: Bei Medienstart können Projekte ihre Konzepte und Ideen, die noch im Anfangsstadium sind, hinsichtlich Machbarkeit überprüfen lassen. Da gibt es 10.000 Euro, dieFörderung ist recht niederschwellig. 80 Prozent der Anträge werden angenommen. Im Programm Medienprojekt, für das es bis zu 100.000 Euro gibt, ist der Bewerb deutlich herausfordernderund die Jury schaut sehr genau auf die Kriterien Unabhängigkeit, journalistische Qualität und tragfähiges Geschäftsmodell. Hier beträgt die Quote 40 Prozent.
Wie hoch ist Ihr Budget?
Wir haben für die direkte Ausschüttung an Unternehmen 2,5 Millionen Euro im Jahr, dann gibt es noch 500.000 Euro für die ganze Abwicklung, für die Mitarbeiter, die Jury, die Veranstaltungen und dem Medieninitiative Lab, wo die Medienstartprojekte begleitet werden mit Workshops und Vernetzungsmöglichkeiten . Also insgesamt sind es drei Millionen Euro im Jahr. Wir verstehen uns als Anschubfinanzierung, der laufende Betrieb von journalistischen Projekten kann nicht gefördert werden. Derzeit schöpfen wir die Summe nicht ganz aus.Wir schauen, dass wir wirklich die besten Projekte fördern.
Welches sind die geförderten Projekte?
Die Förderung ist format- und inhaltsunabhängig. Wir fördern große Medienhäuser genauso wie Neugründungen. Eine sehr sichtbare und erfolgreiche Neugründung ist das Projekt vom Medienhaus „andererseits“. Sie haben nicht nur ein neues Produkt auf den Markt gebracht, auch die Strukturen des Unternehmens sind einzigartig. Es geht inhaltlich um das Thema Inklusion, und hier arbeiten behinderte Menschen. Das große Medienhaus „Kurier“ wiederum hat eine eigene Rubrik aufgebaut, die „Mehr Platz“ heißt. Sie zielt auf die Perspektiven von Menschen mit Migrationshintergrund.
Geht das auch in Deutschland, in deutschen Städten?
Mir ist aufgefallen, dass das Thema Förderung von Medien in Deutschland viel strenger diskutiert wird. Es spricht aber nichts dagegen, diese Förderungsmodell zu kopieren. Ich sehe auch, dass das Interesse in Deutschland sehr groß ist. Ich würde empfehlen, möglichst transparent zu sein und zu entbürokratisieren. Wenn man sehr viele Regeln einführt, muss man auch alles kontrollieren. Ich plädiere für den Mut, schnelle Entscheidungen zu treffen und Unternehmen viel ausprobieren zu lassen. Es geht darum, die Strukturen zu verändern. Vielleicht geht nicht jedes einzelne Projekt auf. Aber die Unternehmen und die einzelnen Journalistinnen und Journalisten haben sehr viel dazu gelernt, ebnen den Weg für weitere Vorhaben und stärken den Markt insgesamt.
Was will die Stadt Wien erreichen?
Die Wirtschaftsagentur Wien hat die Aufgabe, den Wirtschaftsstandort zu fördern. Ein wichtiger Eckpfeiler der Stadt ist unsere Lebensqualität. Dazu zählt auch ein stabiles, demokratisches Umfeld. Das können wir so stärken.
Was nützt es den Freien?
Es nützt Freien, weil die geförderten Medienhäuser ganz oft Freie im Zuge der Projekte anstellen, das ist auch förderbar. Wir achten sehr stark darauf, dass bei den Honoraren ordentliche Höhen vereinbart werden. Dumping unterstützen wir nicht. Die Freien haben einen Anreiz, zu gründen, nicht nur selbständig zu arbeiten, sondern unternehmerisch zu denken. Was wäre, wenn ich aus meiner Spezialisierung ein Produkt mache? Bei der Förderschiene Medienstart kann ich meine Idee sehr leicht überprüfen – und bin am Ende auch nicht verpflichtet, zu gründen – anders als bei der großen Förderung. Wir stärken so die Position der Freien.
Wie kann man von hier aus mitmachen?
Wenn ein Medienhaus in Wien jemanden aus Deutschland beauftragt, ist das kein Problem. Kooperationen zwischen deutschen Medien oder deutschen Freien sind durchaus förderbar, solange der Haupteinreicher ist Wien sitzt. Wenn man ein selbstständig oder ein Medienhaus aus Deutschland ist, und selbst einreichen will, muss man sich überlegen, ob man die unternehmerische Laufbahn nach Wien verlegt.
Das Interview wurde ürsprünglich für Freischreiber e.V. geführt.
Link Freischreiber
Link Medieninitiative Wien